Bohrgerät [1]

[187] Bohrgerät, Vorrichtung zum Drehen von Metallbohrern durch Handkraft, wird verwendet, wenn ein Bohren mit Maschinen nicht angängig ist. Nur kleine Holzbohrer (Nagelbohrer) werden unmittelbar von Hand mittels eines Handgriffes, große Holzbohrer mittels einer durch den Bohrerkopf gefleckten Stange, dem Wendeisen, gedreht.

Man unterscheidet Bohrgeräte mit wechselnder Drehrichtung und mit gleichbleibender Drehrichtung; diese erfolgt entweder ununterbrochen oder absetzend.

Bohrgeräte mit wechselnder Drehrichtung sind der Rollenbohrer, die Rennspindel und der Drillbohrer.

Der Rollenbohrer (Fig. 1) besteht aus einer Rolle B aus Metall, Holz oder Horn, in welcher der Bohrer A befestigt ist, und dem Bohrbogen (Drillbogen, Fiedelbogen) aus Stahl, Fischbein oder Holz, dessen Schnur, aus Pferdehaar oder Darmsaite, um die Rolle läuft, so daß die Rolle durch Hin- und Herbewegen des Bogens gedreht wird. Die Bohrerspitze stützt sich hierbei in die Vertiefung eines Brettes C, des Bohrbrettes oder Brustbrettes, gegen das der Arbeiter mit der Brust drückt. – Ein Rollenbohrer, bei dem zwei Bohrer in entgegengesetzter Richtung federnd in der Rolle gelagert sind, so daß gleichzeitig zwei Löcher gebohrt werden können, ist in D.R.P. Nr. 139999 beschrieben.

Die Rennspindel (Fig. 2) ist ein veraltetes Werkzeug. Die Schnur oder Sehne wird zunächst durch Drehen des Quersteges auf den Bohrerschaft aufgewickelt. Wenn dann der Bohrer gegen das Werkstück gesetzt und der Quersteg heruntergedrückt wird, dreht sich der Bohrer, überschreitet infolge der Schwungkraft seine Mittellage und wickelt die Schnur in entgegengesetzter Richtung auf. Dann wird der Quersteg von neuem abwärts gedrückt.

Der Drillbohrer (Fig. 3) besteht aus einer Bohrspindel A aus gewundenem Triebstahl (s. Draht) oder Vierkantstahl, dessen Schraubengänge einen Steigungswinkel von etwa 70° haben, aus dem Bohrkopf C, dem drehbaren Knopf B und der mit Muttergewinde versehenen verschiebbaren Büchse D, durch deren Auf- und Niederbewegung der Bohrer hin und her gedreht wird. – Um beim Drillbohrer ein leichtes Arbeiten zu erzielen, hat man den Bohrkopf auch mit einem Kugellager ausgestattet und mit Oelschmierung versehen [1]. Es sind auch Drillbohrer mit ununterbrochener Drehbewegung in einer Richtung konstruiert worden [2]. Die Bohrstange a (Fig. 4) ist von den Hülsen b1 und b2 umgeben, die mit schraubenförmigen, entgegengesetzt gewundenen Nuten versehen sind. In diese greift ein Stift c des Schiebers d ein, so daß beim Bewegen des Schiebers die Hülsen sich entgegengesetzt drehen. An den Enden trägt die Bohrstange feste gezahnte Kupplungsmuffen e1 und e2. Die innere Hülse trägt oben, die äußere unten Zähne. Beim Heraufbewegen des Schiebers wird die Hülse b1 mit der oberen Muffe e1[187] gekuppelt, beim Herunterbewegen die Hülse b2 mit der unteren Muffe e2. Dadurch wird infolge der entgegengesetzten Windung der Nut in der Hülse b2 die Bohrspindel in derselben Richtung weitergedreht. Eine andre Konstruktion eines solchen Drillbohrers zeigt Fig. 5. Die Spindel ist mit Rechts- und Linksgewinde versehen, die Muffe trägt an der einen Seite die Mutter für das rechte, an der andern Seite die Mutter für das linke Gewinde. Bei der Bewegung der Muffe wird durch kleine Kupplungen abwechselnd die eine und die andre Mutter mit der Muffe derart verbunden, daß sie an der Drehung nicht teilnimmt, also der Spindel eine Drehung erteilt, und zwar stets in demselben Sinne. – Ein ähnlicher Drillbohrer ist in D.R.P. Nr. 108318 beschrieben.

Außer diesen Drillbohrern sind Bohrgeräte mit ununterbrochener Drehbewegung die Brustleier der Holzarbeiter und die Bohrkurbel der Metallarbeiter. Beide haben gleiche Konstruktion. Bei der Brustleier (Fig. 6) drückt der Arbeiter mit der Brust gegen den Knopf, bei der Bohrkurbel (Fig. 7) wird der Vorschub des Bohrers durch Anziehen der Schraube C bewirkt, die mit der Spitze D gegen einen festen Anschlag, ein Bohrgestell oder einen Bohrwinkel, wie ihn Fig. 8 in Verbindung mit einer Bohrknarre zeigt, gestützt wird. Brustleier und Bohrkurbel kommen in mannigfachen Ausführungen vor. So dient der Räderbohrer oder Eckenbohrer (Eckbohrdraube, Fig. 9) dazu, in Ecken oder Vertiefungen zu arbeiten, die ein Herumdrehen der Kurbel nicht gestatten. Fig. 10 zeigt einen Räderbohrer der Firma s. Heyerhoff, Hagen i. W. [3]. Das große Zahnrad hat oben durch ein kleines Kegelrad eine Gegenführung erhalten, um ein genaueres Arbeiten zu erzielen. Eine seitlich angeordnete Wasserwage ermöglicht ein genaues horizontales Bohren. Die Kurbel läßt sich je nach der Größe der Bohrlöcher kürzer oder länger stellen. Dieselbe Firma führt auch Räderbohrer mit zwei Geschwindigkeiten aus, die sich durch Umstellen eines Bolzens auswechseln lassen. Vgl. Patentschrift 124766. Dem gleichen Zwecke, in schwer zugänglichen Winkeln und Ecken zu bohren, dienen auch Kurbelbohrer, bei denen Bohrspindel und Antriebspindell zueinander geneigt und durch ein Universalgelenk miteinander verbunden sind. Fig. 11 zeigt eine solche Anordnung [4]. A ist ein Gußstück zur Aufnahme der Bohr- und Antriebspindell. Mit der ebenen Fläche B kann das Werkzeug beim Bohren an einer Wand des Arbeitsstückes geführt werden, so daß ein zu dieser paralleles Loch gebohrt wird. Die Kurbel C ist verstellbar. D ist ein Handgriff, E ein Brustbrett. Die Handbohrgeräte mit stetiger Drehung dienen nur zum Bohren von Löchern von 3–15 mm.

Bohrgeräte mit absetzender Bewegung sind die Bohrknarren oder Bohrratschen (Fig. 12). Sie dienen zum Bohren größerer Löcher, von 10–25 mm, und werden besonders[188] dann angewendet, wenn der Raum so beschränkt ist, daß eine volle Kurbeldrehung nicht möglich ist. Die Kurbel der Bohrkurbel ist durch einen Hebel ersetzt. Beim Hin- und Herbewegen des Hebels wird die Bohrspindel mittels Sperrad und Sperrklinke mitgenommen. Am oberen Ende trägt die Bohrknarre eine Druckschraube, die mit einer Spitze gegen ein festes Widerlager, eine benachbarte Wand oder einen Bohrwinkel (vgl. Fig. 8) gestützt wird. Der Vorschub des Bohrers wird dadurch bewirkt, daß die Druckschraube zeitweise nachgespannt wird.

Bohrknarren sind in sehr verschiedenen Konstruktionen zur Ausführung gelangt, die einen leichteren Gang, einen höheren Wirkungsgrad (doppeltwirkende Bohrknarren), einen geräuschlosen Gang oder andre Verbesserungen bezwecken. – Fig. 13 zeigt eine Bohrknarre der Werkzeugmaschinenfabrik Hollmann, Remscheid-Vieringhausen, mit Kugellagerung, wodurch ein gleichmäßiger, ruhiger Gang erzielt wird [5], Eine Bohrknarre derselben Firma [6], die sowohl rechts- als auch linksbohrend ist, zeigt Fig. 14. Das Sperrad c mit geraden Sperrzähnen kann durch zwei Sperrklinken a und b bewegt werden. Die Sperrklinken stehen unter der Wirkung des Kipphebelgesperres d, f, so daß sie ein- oder ausgeschaltet werden können.

Eine doppeltwirkende Bohrknarre zeigt Fig. 15; k und k1 sind Sperrklinken, von denen k1 das Sperrad d bei Rechtsdrehung, k das Sperrad e bei Linksdrehung des Hebels dreht. Durch das Kegelrädergetriebe erhält der Bohrer die Bewegung nur in einer Richtung. Ferner sind doppeltwirkende Bohrknarren ausgeführt von Schuttler [11], von Edmund Drögemeyer, Remscheid [7], von Frank Artur Reynold, New York [8] und von Mandowsky & Epstein [9] u.a. Bei letzterer sind zugleich Bohrstange und Druckspindel in beliebigem Winkel zueinander einstellbar. Während bei gewöhnlichen Bohrknarren die Hebel nur in einer zur Bohrrichtung senkrechten Ebene bewegt werden können, so daß die Knarren in manchen Fällen nicht anwendbar sind, läßt sich bei der Bohrratsche Fig. 16–18 von Williams [10] der Hebel in jeder beliebigen Ebene bewegen. Der Hebel ist mit dem Gehäuse e mittels der Zapfen d, des Bügels b und der Schrauben cc verbunden. Der Hebel läßt sich stets in solche Lage bringen, daß es möglich ist, den Bohrer zu drehen. Soll die Bohrratsche in gewöhnlicher Weise bewegt werden, so verschiebt man in dem röhrenförmigen Handhebel den Schaft o durch Drehen des Deckels, bis das Ende n in eine Vertiefung des Gehäuses eingreift, wodurch der Hebel mit dem Gehäuse fest verbunden wird. In der Kammer e1 (Schnitt xy) ruhen fünf Sperrklinken, damit der tote Gang möglichst gering wird. Der Bohrkopf f wird im Gehäuse e durch die Haube h gegen Längsverschiebung gesichert und nimmt oben die Stellschraube k mit der Mutter i auf. Die Schraube l von entgegengesetzter Steigung sichert die Stellschraube gegen Herausschrauben, indem sich ihr Kopf gegen das untere Ende der Mutter i anlegt. Fig. 17 und 18 zeigen die Bohrknarre in Ansicht mit hoch- und tiefstehendem Hebel.

Um das lästige Geräusch der Bohrknarren zu beseitigen, bewirkt die Firma August Klein in Remscheid [12] die Sperrung nicht durch ein Zahnrad, sondern durch eine Bandbremse, Fig. 19. Um die Achse b ist zwischen den Bunden i und k ein Stahlband a gelegt, das durch die Schraube c am Stiel d gelenkig beteiligt ist. Das andre Bandende liegt frei federnd mit einem keilförmigen Ausschnitt gegen eine Nase des Stieles. Von der Spitze dieses Ausschnittes aus wird das Band auf ein Drittel seiner Länge in zwei federnde Bänder g und h geteilt. Beim Rechtsdrehen des Stieles d werden die Bänder g und h dadurch, daß die Nase sich in den Längsschnitt des Bandes schiebt,[189] seitlich gegen die Bunde i und k gepreßt und dadurch eine Kupplung zwischen Stiel und Achse herbeigeführt. Bei Linksdrehung gibt die Achse die Feder frei. Eine ähnliche Konstruktion zeigt eine Bohrknarre von H. Weyerhoff, Remscheid [15].

Der Uebelstand, daß bei den Bohrknarren der Vorschub, der durch Drehen der Druckspindel erfolgt, sehr ungleichmäßig ausfällt, wodurch leicht ein Brechen des Bohrers eintreten kann, wird durch eine Bohrknarre der Werkzeugmaschinenfabrik Breuer, Schumacher & Co. in Kalk mit selbsttätigem, nach der Härte des Materials veränderlichem Vorschub beseitigt (D.R.P. Nr. 28662). Bei dieser Bohrknarre (Fig. 20) greift eine gemeinschaftliche Schaltklinke in zwei Differentialräder ein, deren eines auf einer Nachstellhülse, deren andres auf der mit innerem Muttergewinde versehenen Bohrhülse festsitzt. In jenem Muttergewinde bewegt sich die Druckschraube, mit der die Bohrknarre, bevor das Bohren beginnt, eingestellt wird. Die Bohrknarre kann also auch wie jede gewöhnliche Bohrknarre gebraucht werden. Die Nachstellhülse ist an ihrem oberen Ende geschlitzt und hat in diesem Einschnitt eine Klemmschraube, mittels welcher der Selbstgang ein- und ausgerückt werden kann. Der Vorschub wird um so größer, je mehr man die Klemmschraube anzieht. Beim Abstellen der Bohrknarre ist zunächst der selbsttätige Vorschub abzustellen.

Bei einer Reihe andrer Bohrknarren werden konstruktive Verbesserungen, gute Schmierung, leichte Auswechselbarkeit der Teile oder geringe Raumbeanspruchung bezweckt. – Fig. 21 zeigt eine Bohrratsche [14] der Anderson Machine Works in Peekshill, New York, bei welcher der Bohrer in die Druckspindel selbsttätig ein- und ausgeschoben wird. Der Bohrer geht durch ein quadratisches Loch der Büchse a hindurch und greift mit seinem konischen Ende in ein Paßstück b, das außen mit Gewinde versehen ist und in die als Mutter dienende Büchse c paßt. Die Büchse a ist am oberen Ende zu einem Sperrade ausgebildet, das vom Kopfe d mittels der Sperrklinke mitgenommen wird. Die Büchse c paßt mit ihrem unteren Ende in die Vertiefung der Büchse a und wird während der Drehung des Kopfes von einem Stifte im oberen Loche aufgehalten, um den Bohrer auswärts zu verschieben. Die Hülsen a und c werden durch eine Mutter e am Kopfe d festgehalten, ohne in ihrer Drehung behindert zu sein. Der Arm f ist in den Bohrerkopf d eingeschraubt. Hervorzuheben ist noch eine Bohrknarre von G. Edel, die eine Vereinigung von Bohrwinde und Bohrknarre darstellt [15]. Auch ist eine Bohrknarre mit Maschinenantrieb (D.R.P. Nr. 91348) konstruiert worden.


Literatur: [1] Zeitschrift für Werkzeugmaschinen 1903/04, S. 232, D.R.G.M. Nr. 191275. – [2] Ebend. 1898/99, S. 175, D.R.G.M. Nr. 101901. – [3] Ebend. 1902/03, S. 523. – [4] Ebend. 1897/98, S. 122. – [5] Ebend. 1900/01, S. 126, D.R.G.M. Nr. 139645. – [6] Ebend. 1896/97, S. 192, D.R.G.M. Nr. 64378. – [7] Ebend. 1901/02, S. 335, D.R.G.M. Nr. 165038. – [8] Ebend. 1897/98, S. 360, D.R.P. Nr. 97224. – [9] Ebend. 1901/02, S 392, D.R.G.M. Nr. 167341. – [10] Ebend. 1899/1900, S. 367. – [11] Ebend. 1901/02, S 59. – [12] Ebend. 1899/1900, S. 530, D.R.G.M. Nr. 136789 und 136790. – [13] Ebend. 1898/99, S. 144, D.R.P. Nr. 100741. – [14] Ebend. 1901/02, S. 43. – [15] Ebend. 1887/88, S. 122, D.R.P. Nr. 94766 – Vgl. a. Ledebur, Mechanisch-metallurgische Technologie, Braunschweig 1897; v. Hoyer, Die Verarbeitung der Metalle und des Holzes, Wiesbaden 1897; Kick, Mechanische Technologie, Leipzig, Wien 1898.

Dalchow.

Fig. 1., Fig. 2.
Fig. 1., Fig. 2.
Fig. 3., Fig. 4.
Fig. 3., Fig. 4.
Fig. 6., Fig. 7., Fig. 8.
Fig. 6., Fig. 7., Fig. 8.
Fig. 5., Fig. 9., Fig. 10., Fig. 11.
Fig. 5., Fig. 9., Fig. 10., Fig. 11.
Fig. 12.
Fig. 12.
Fig. 13.
Fig. 13.
Fig. 14.
Fig. 14.
Fig. 15.
Fig. 15.
Fig. 16.
Fig. 16.
Fig. 17., Fig. 18.
Fig. 17., Fig. 18.
Fig. 19.
Fig. 19.
Fig. 20.
Fig. 20.
Fig. 21.
Fig. 21.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 2 Stuttgart, Leipzig 1905., S. 187-190.
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